STROMER KID INTERVIEW
Auf tumblr kann man nicht nur auf uns stoßen, sondern auch auf den Berliner Fotograf Stromer Kid. Ähnlich wie tumblr für uns, ist Berlin für ihn „ein riesiger unüberschaubarer Abenteuerspielplatz, wo ich immer etwas neues entdecke und nicht mal ansatzweise alles kennen werde“. Der 28-jährige fing mit dem Bilder machen an, um Orte und Momente festzuhalten bevor sie sich verändern, aber auch „war es eine Art Tagebucheintrag in Foto-Form“.
Wenn man so will besteht jetzt die Möglichkeit in sein Tagebuch zu blicken. Denn Stromer Kid veröffentlicht nun sein „Stromer Kid“ benanntes Buch. „Ursprünglich wollte ich es ja eigentlich gar nicht veröffentlichen und nur ein Buch für mich machen. Da aber über die Zeit immer mehr Leute ein Exemplar wollten, habe ich mich entschlossen doch eine kleine Auflage davon zu fertigen. Es besteht also ein Interesse an einer Veröffentlichung.“
Derzeit blickt er auf einen guten Sommer zurück, in dem er viel erlebte und entdeckte – häufig war das Licht an den vergangenen Sommerabenden super um Fotos zu machen. Diese Stimmungen fing er, entweder digital mit seiner Canon 5d Mark2, oder mit seinen Analog-Kameras Canon AE1, Olympus Mju, sowie seit neustem, einer Canon Eos 3, ein.
Vielfalltag: Kam die Lust am Stromern erst durch den Besitz einer Kamera oder liegt das seit jeher in deiner Natur?
Stromer Kid: Nein, die Lust am Stromern war schon immer da. Schon in jüngeren Jahren bin ich mit meinen Freunden in alten Kohlewerken und anderen Industrien herumgeklettert. Eine Kamera hatte damals nie jemand dabei. Schade eigentlich. Der Entdeckungsdrang war also schon immer da.
Vielfalltag: Kann das Stromern einen Urlaub ersetzen?
Stromer Kid: Ein interessanter Vergleich. Es gibt Orte an denen setzt Erholung für mich ein. Diese Erholung könnte man Urlaub nennen, oder einfach Rückzugsorte sagen. Gerade wenn ich viel um die Ohren habe, ist es die pure Entspannung auf einem Dach zu sitzen. Urlaub heißt für mich aber ein komplett anderer Ort als der gewohnte.
Vielfalltag: Hat das Fotografieren eine beruhigende Wirkung auf dich oder sind es die Orte die du findest? Ist Stromern für dich eher Abenteuer oder Beruhigung?
Stromer Kid: Es ist eine Mischung aus Allem. Sowohl das Entdecken als auch das Fotografieren, ist beruhigend und abenteuerlich zu gleich. Mein Antrieb ist überwiegend aber das Entdecken und Herumstromern, als das Fotografieren.
Vielfalltag: Mal angenommen man lebt mehrere Jahre am gleichen Ort und kann aus diesem auch nicht entfliehen – denkst du, ein Fotograf sollte in der Lage sein, am gleichen Ort immer wieder neue Motive einfangen zu können?
Stromer Kid: Ein Fotograf wird sicher in der Lage sein diesen Ort immer wieder neu für sich zu entdecken. Es gibt ja unzählige Blickwinkel auf diesen Ort. Wie groß auch immer dieser sein mag. Gerade wenn dieser Ort von Natur umgeben ist, ergeben sich von ganz allein neue Motive und Kompositionen durch die Witterung.
Vielfalltag: Mal angenommen du könntest zurück in die Zeit deiner Kindheit – was würdest du unbedingt auf Foto festhalten wollen?
Stromer Kid: Der Blickwinkel eines Kindes ist an sich ja schon total interessant. Ich glaube ich würde genau die Orte und Gegenstände festhalten wollen, die ich damals spannend fand. Mein tägliches Umfeld einfach. Um dann zu sehen, dass es wohl ganz anders als in meiner Erinnerung war. Das wäre schon komisch. Wenn ich in meine Jugend zurückreisen könnte, würde ich beispielsweise die unzähligen Ausflüge ins Kohlewerk festhalten wollen.
Vielfalltag: Gibt es Tage an denen du dir vornimmst Fotos zu machen oder brauchst du es dir nicht vornehmen, da die Kamera eh immer dabei ist? Wie fühlt es sich an wenn du das Haus ohne Kamera verlässt?
Stromer Kid: Ich habe so gut wie immer eine Kamera dabei. Außer ich spring kurz in den Supermarkt oder bringe den Müll raus. Wirklich ohne Kamera rausgehen gibt es also sehr selten, bis gar nicht.
Ein total komisches Gefühl ist es, wenn ich etwas sehe, aber es nicht einfangen kann. Weil ich entweder keine Kamera dabei habe oder einfach das falsche Objektiv. Das Fotografieren zu planen kommt seltener vor, gibt es aber auch. Ich plane dann eher gezielte Entdeckungstouren an schwieriger zugänglichen Orten. Gummistiefel oder Schlauchboot hat man ja eher seltener dabei.
Vielfalltag: Wie nah liegt Einsamkeit und Freude bei deinen Aktivitäten?
Stromer Kid: Ich bin viel mit Freunden auf Entdeckungstour, aber bestimmt genauso viel auch allein. Die Freude überwiegt da ganz klar. Es gab sicher schon einige Situationen die so unglaublich waren, dass man sie auch gern in diesem Moment teilen wollte. Aber von einem Einsamkeitsgefühl würde ich da nicht sprechen. Es ist ja gerade das menschenleere was ich häufig an den Orten zu schätzen weiß.
Vielfalltag: Was bist du bereit für ein Foto zu tun?
Stromer Kid: Schwer zu sagen. Kommt natürlich immer drauf an, was das Motiv sein könnte. Über ein Glasdach im fünften Stock muss ich jetzt nicht unbedingt gehen.
Vielfalltag: In dem Buch wird es auch Geschichten zu lesen geben. Liegt dir das Aufschreiben genauso wie das Fotografieren? Warum nicht nur Bilder?
Stromer Kid: Die Geschichten machen in meinen Augen die ganze Sache rund. Sie sind in sich abgeschlossen und ziehen sich durch das ganze Buch. Durch die Texte wird im Buch noch eine tiefere Ebene erreicht. Ein Foto von einem Hausflur wirkt meist nicht besonders aufregend. Hört man nun aber eine Geschichte über eine Verfolgungsjagd durch genau diesen Hausflur, schaue ich mir das Foto gleich ganz anders an.
Das Schreiben geht mir nicht so locker von der Hand wie das Fotografieren. Ich habe viel rumgetüftelt, um genau den Stil hinzubekommen den ich wollte. Bin mit dem Resultat aber sehr zufrieden.
Vielfalltag: Wieviel Anteil Graffiti wird es im Buch zu sehen geben?
Stromer Kid: Graffiti wird keinen Anteil im Buch haben. Zumindest wird es nicht im Vordergrund stehen, wenn etwas zu sehen ist.
Vielfalltag: Was bedeutet dir Graffiti in Berlin?
Stromer Kid: Ich mag Graffiti, aber in den letzten Jahren wird es stetig uninteressanter. Die in meinen Augen interessanten Leute werden immer rarer oder machen kaum noch etwas.
Vielfalltag: Was sollte man noch über das Buch wissen?
Stromer Kid: Ein Freund hat das Buch letztens als “mein Lebenswerk” bezeichnet. Ich finde die Bezeichnung zwar zu hoch gegriffen, aber finde der Kern stimmt. Es ist für mich einfach ein Projekt was mir sehr am Herzen liegt.
Vielfalltag: Welche fünf Lieder wären der Soundtrack zu dem Buch und warum?
Stromer Kid: Für mich sollte der Soundtrack dazu etwas von einer Unterwegs-Stimmung haben, weil es genau das ist: Rausgehen und sein Umfeld entdecken. Diese Stimmung kommt bei diesen Liedern in mir auf:
Zion I – Coastin’
O’Death – Bugs
Geographer – Kites
Dusted – Property Lines
The Dirty Diamonds – Heaven’s Plate
Vielfalltag: Vielen Dank für das Interview.
Es fragte: Henry Berner