Behind The Wall – Depeche Mode-Fankultur in der DDR

Ein schwarz-weiß-Foto mit überwiegend schwarz gekleideten Menschen. Das matte Schwarz der Klamotten wird kontrastiert von grellen Lichtern darüber. Ein Halbkreis aus Heranwachsenden in einem Berliner Bahnhofstunnel. Sie zelebrieren sich und das Schwarze. Das Schwarz, um das es hier geht, ist nicht das Schwarz mit dem man sich verstecken will. Es dient dem zur Schau stellen der Anders- und Einzigartigkeit.

War die Zeit der Blauhemden langsam aber sicher dem Ende geweiht, erwiesen sich zumindest noch die schwarzen DDR-Arbeitsschuhe als passend zum Look. Ein Look der die Fan-Zugehörigkeit zu Depeche Mode unter Beweis stellen sollte.

Cover behind the wall vielfalltag

Trieft die Musik von Depeche Mode an einigen Stellen nur so vor Synthie-Sehnsucht, wundert es nicht, dass sie die Herzen DDR-Jugendlicher erreichen konnte. Schlugen in der Depeche Mode Bildsprache darüber hinaus die Vorschlaghämmer zu, schlugen bei den Arbeiter- und Bauernstaat Jugendlichen die Herzen höher.

Im Vergleich zur Staats-Propaganda erreichte die Musik von Depeche Mode die jungen Menschen wirklich. Sie löste so viel Begeisterung aus, dass Fankultur entstehen konnte. Wie sich diese gestaltete, wird in Behind The Wall erzählt. Depeche Mode, eine der „langlebigsten Bands der eigentlich schnelllebigen Popmusik-Ära“ und das kleine Zeitfenster aus dem Ende der DDR und den ersten 1990er Jahren. Sascha Lange und Dennis Burmeister haben mit Ihrer Draufschau dieses interessante DDR-Detail konserviert.

Zunächst ordnet das Buch die Medienlandschaft und den Medienkonsum jener Zeit ein – So wird deutlich, was an Informationsgewinnung überhaupt möglich war und wie selbst Kleinigkeiten groß gewürdigt wurden. Zwischen Reinhard Lakomy und dem Aufkommen von HipHop, wird die Bandgeschichte zwar anteilig miterzählt, doch die Stars des Buches sind die Fans.

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In seinen liebevollsten Momenten ist Behind The Wall eine Coming-of-Age Abhandlung. Während die Eltern Frank Schöbel hörten, ältere Jugendliche mit Rock schon zu Ende sozialisiert waren, traf diese neuartige Musik auf hingebungsvolle, aufgeschlossene junge Menschen, die dankbar für all das waren, was sie über ihre Helden bekamen. Fehlende Verfügbarkeit sorgte für noch mehr Sehnsucht hinter der Mauer und sorgte dafür, „dass man sich länger und intensiver mit der wenigen vorhandenen Musik beschäftigte und dadurch tiefer in den Kosmos einer Band, eines Albums eintauchte“. Eine Ausgangslage die Fanzines und Fanclubs über staatliche Grenzen hinaus gedeihen ließ.

Im Buch spielt sich einerseits die Wirkmächtigkeit von Pop ab und andererseits die persönliche Komponente, auf der dieser Pop fußen konnte. Einordnung und Emotionalität verstehen sich hier prächtig.

Eingestreute Erinnerungen von Enrico aus Erfurt oder Anja aus Zwickau sorgen in sanften Nebentönen für ein Gefühl davon, wie es wohl gewesen sein muss in der DDR zu leben, gedanklich aber zu gerne mal abzudriften, um der erwünschten Realität näher zu kommen. Mindestens gleichbedeutend für das Gelingen der geschichtlichen Aufarbeitung sind die exklusiven Fotos. Atmosphärisch fangen sie das Machertum der Fans ein und geben der Buch-Aufmachung zugleich einen popigen und nischigen Anstrich. Popig und Nischig. Wie die Musik von Depeche Mode, der immer eine geheimnisvolle Note beiwohnt und den großen Erfolg der Band manchmal so verblüffend erscheinen lässt.

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Mehr zum Buch gibt es hier: Ventil Verlag

Es schrieb: Henry Berner

Fotos: Henry Berner